Didis Bücherturm

Sonntag, 17. Mai 2015

Wohnzimmer-Lesungen



In Basel

Es ist schon ein paar Jahre her, da las ich in einer Buchhandlung im Basler Ortsteil Bachletten aus einem meiner Bücher. Ich war für zwei Wochen in der Stadt und hatte in einem Café am Barfüßerplatz eine kleine Erzählung geschrieben, die in Basel spielte und die ich bei dieser Gelegenheit dem Publikum vorstellte. Ich war froh, dass sie so gut ankam.
Nach der Lesung gab es einen kleinen Imbiss. Eine Frau trat auf mich zu und sagte, die Geschichte habe ihr gefallen, und es wäre schade, dass ihre Mutter diese nicht hören könnte. Die Dame sei fast neunzig, aber geistig sehr rege und könne wegen einer Behinderung nicht aus dem Haus. Ob ich nicht bei ihr zu Hause noch einmal aus meinem Buch und dann diese Geschichte vorlesen könne? Ich überlegte nur kurz und sagte zu - von der Buchhandlung hatte ich ein gutes Honorar bekommen und hatte gute Laune.

Die Atmosphäre

Am Samstag fuhr ich dann mit dem „Trämli“ Nummer sechs nach Allschwil hinaus - die Adresse, die ich bekommen hatte, war nicht weit von der Endhaltestelle. Ein wenig war ich besorgt, ob ich die Lesung meistern würde - die Frau, die mich angesprochen hatte, hatte angekündigt, ihre Mutter werde ein paar Freundinnen hinzubitten, denen sie auch das Erlebnis einer „Dichterlesung“ vermitteln wolle.
Ich hatte allerdings nicht erwartet, dass fast dreißig Leute in dem geräumigen Wohnzimmer gedrängt saßen. Jeder hatte Kuchen, Salate und Getränke mitgebracht, so dass es ein kleines Buffet gab. Das Publikum war zwischen 30 und 90: Lehrer, Hausärztin, Verwandtschaft, Physiotherapeut, Pfarrerin - die alte Dame hatte telefonisch alles zusammengetrommelt, was sie erreichen konnte.
Meine Gastgeberin wirkte nicht wie neunzig, sondern eher zehn Jahre jünger. Sie stellte mir alle Besucher vor und hatte sogar kleine Anekdoten über jeden parat. Sie war stolz und glücklich, dass ich tatsächlich gekommen war.

Die Lesung

Man hörte mir aufmerksam zu. Niemand schwatzte im Hintergrund. Ich hatte mehrere Erzählungen und einen kurzen Romanausschnitt ausgewählt. Ich saß etwas erhöht auf dem Tisch einer alten Nähmaschine. Ein Mikrofon brauchte ich hier nicht. Zu allen Texten kamen Fragen, und es gab kleinere oder auch längere Diskussionen. Die Leute redeten und fragten freimütiger, als es in einer Buchhandlung möglich gewesen wäre. Hier war man ja nicht in der Öffentlichkeit, sondern unter sich. Anfangs hatte ich noch gedacht, nach einer oder höchstens zwei Stunden säße ich wieder in der Straßenbahn, aber es wurde zwei Uhr nachts - sechs Stunden! Und es lag nicht am Wein, sondern an der Offenheit der Fragen und des Gesprächs überhaupt, dass ich mich immer wohler fühlte.
Ich wurde von einem der Gäste mit dem Auto in meine Unterkunft gebracht (die Gastgeberin hatte mich auch mit Salaten und Kuchen für den nächsten Tag eingedeckt). Am Schluss der Veranstaltung - niemand war früher gegangen! - reichte die Gastgeberin eine Schüssel herum, für’s Honorar. Ich war von den Socken, als dann fast fünfhundert Franken zusammenkamen. Es war aber die Atmosphäre, nicht nur das gute Honorar, das mich veranlasste, künftig weitere solche Veranstaltungen zu planen. Ich wusste gleich, eine solche Summe würde ich wohl sonst nirgendwo erhalten.



Mein Angebot

Ich habe beschlossen, weitere solche Lesungen zu veranstalten, und in den letzten Jahren wurde ich immer wieder dazu eingeladen. Jede war anders, natürlich, und das ist das Spannende daran. Gemeinsam war allen die offene Atmosphäre. Die Leute reden freier als in der Buchhandlung vor fremden Besuchern. Bei diesen „Wohnzimmerlesungen“ gab es immer gute, auch für mich fruchtbare Gespräche. Ich habe inzwischen verschiedene solche Lesungen gemacht - in einer Party-Straßenbahn, in einer Wochenend-Hütte, sogar im Wartezimmer einer Arztpraxis - oder eben in Wohnzimmern, die groß genug waren für acht bis zehn Leute oder mehr.
Ich biete solche Lesungen nun auch aktiv an - zu sehr günstigen Konditionen. Wer mich einlädt, macht für seine Gäste, sich selbst und mich eine Kleinigkeit zu essen, hat einen leckeren Wein da, bezahlt meine An- und Abreise (im weiteren Umkreis von Augsburg brauche ich ja keine Übernachtung), erlaubt mir eventuell, signierte Bücher aus meinem „Bücherkoffer“ zu verkaufen, lässt einen Hut fürs freiwillige Honorar kreisen - und empfiehlt mich, wenn’s gefallen hat, auch weiter. Interessiert? Dann finden Sie Kontakt-Informationen auf meiner Homepage www.viktorglass.com - u.a. im Impressum.