Den Link der Woche gibt es morgen. Hier ein kleiner Bericht über einen sehr angenehmen Abend.
Seit über 16 Jahren gibt es in Diedorf westlich von Augsburg eine kleine, aber wichtige Buchhandlung, die die Versorgung der gesamten Landregion sicherstellt. Hier finden regelmäßig Lesungen und andere Veranstaltungen statt, es gibt einen kleinen Katalog und eine Homepage mit Terminen und Buchempfehlungen: http://www.buchecke-diedorf.de/. Das Ganze hat einen guten Ruf, und ich hatte schon lange den Wunsch, dort einmal zu lesen. Gestern war es also so weit – ich war eingeladen, aus "Goethes Hinrichtung" vorzutragen. Analyn und ich fuhren im Zug hin, waren viel zu früh da, besorgten uns in einer Bäckerei Krapfen, Hörnchen und Semmeln (alles sehr gut!) und aßen an einer Bushaltestelle zu Abend. Um halb acht waren wir dann zur Stelle. Die Buchhandlung wird von drei sehr netten Frauen geführt, die ihre Ehemänner, Töchter und wahrscheinlich weitere Verwandte eingeladen hatten, aber es war auch sonst ein interessiertes und, wie ich bald merken sollte, engagiertes Publikum da. Obwohl der Laden auf den ersten Blick sehr klein wirkt, haben viele Leute Platz – die Regale, zwischen denen man sonst geht, sind auf Rollen fahrbar und können zur Seite geschoben werden, und aus dem Hinterzimmer werden Stühle geholt – keine Taizé-Hocker, wie man sie sonst oft sieht, sondern richtig komfortable Sessel. Ich bekam auch so einen bequemen Stuhl, dazu ein originelles rotes Tischchen (ein Viertel eines runden Tisches, in Rot, passend zum Namen "Buchecke"), aber da meine Stimme im Sitzen nicht gerade raumfüllend ist, habe ich schließlich im Stehen vorgetragen, zuerst eine Passage aus dem Leben der Johanna, vorsichtig, in die Gesichter schauend – der Text kam gut an, hatte ich das Gefühl. Man merkt ja die Stimmung, auch wenn niemand etwas sagt. Also las ich noch weitere Szenen dieser Passage, dann eine andere, aus dem Leben Goethes, als Kontrast. Ich hätte nun im vorderen Teil des Buches bleiben können, aber ich spürte Neugier, die Leute sandten irgendwie Signale aus, vielleicht durch Körpersprache oder durch ihre Mienen – ich hatte das Gefühl, sie könnten etwas stärkeren Tobak vertragen – also las ich etwas aus dem letzten Viertel, zwar nicht die Hinrichtungsszene, aber die Henkersmahlzeit, eine Groteske, in der ich beschreibe, wie Richter, Henker und Geistliche mit der Delinquentin am Tisch sitzen und speisen. Anschließend kamen ein paar Fragen aus dem Publikum, es waren nicht die üblichen "was hat der Dichter sich dabei gedacht", sondern Fragen, die verrieten, dass die Leute wirklich aufmerksam zugehört hatten. Ein angenehmes Publikum, eine angenehme Lesung und eine Buchhandlung, die zeigt, dass es sich lohnt, nicht übers Internet einzukaufen, sondern persönlich vor Ort.
Die Beleuchtung ist – für Kunden wie für Lesende - an jeder Stelle im Laden hervorragend. So findet man das selten!
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