In Basel
Es ist schon ein paar Jahre her, da las ich in einer
Buchhandlung im Basler Ortsteil Bachletten aus einem meiner Bücher. Ich war für
zwei Wochen in der Stadt und hatte in einem Café am Barfüßerplatz eine kleine
Erzählung geschrieben, die in Basel spielte und die ich bei dieser Gelegenheit
dem Publikum vorstellte. Ich war froh, dass sie so gut ankam.
Nach der Lesung gab es einen kleinen Imbiss. Eine Frau trat
auf mich zu und sagte, die Geschichte habe ihr gefallen, und es wäre schade,
dass ihre Mutter diese nicht hören könnte. Die Dame sei fast neunzig, aber
geistig sehr rege und könne wegen einer Behinderung nicht aus dem Haus. Ob ich
nicht bei ihr zu Hause noch einmal aus meinem Buch und dann diese Geschichte
vorlesen könne? Ich überlegte nur kurz und sagte zu - von der Buchhandlung
hatte ich ein gutes Honorar bekommen und hatte gute Laune.
Die Atmosphäre
Am Samstag fuhr ich dann mit dem „Trämli“ Nummer sechs nach
Allschwil hinaus - die Adresse, die ich bekommen hatte, war nicht weit von der
Endhaltestelle. Ein wenig war ich besorgt, ob ich die Lesung meistern würde -
die Frau, die mich angesprochen hatte, hatte angekündigt, ihre Mutter werde ein
paar Freundinnen hinzubitten, denen sie auch das Erlebnis einer „Dichterlesung“
vermitteln wolle.
Ich hatte allerdings nicht erwartet, dass fast dreißig Leute
in dem geräumigen Wohnzimmer gedrängt saßen. Jeder hatte Kuchen, Salate und
Getränke mitgebracht, so dass es ein kleines Buffet gab. Das Publikum war
zwischen 30 und 90: Lehrer, Hausärztin, Verwandtschaft, Physiotherapeut,
Pfarrerin - die alte Dame hatte telefonisch alles zusammengetrommelt, was sie
erreichen konnte.
Meine Gastgeberin wirkte nicht wie neunzig, sondern eher
zehn Jahre jünger. Sie stellte mir alle Besucher vor und hatte sogar kleine
Anekdoten über jeden parat. Sie war stolz und glücklich, dass ich tatsächlich
gekommen war.
Die Lesung
Man hörte mir aufmerksam zu. Niemand schwatzte im
Hintergrund. Ich hatte mehrere Erzählungen und einen kurzen Romanausschnitt
ausgewählt. Ich saß etwas erhöht auf dem Tisch einer alten Nähmaschine. Ein
Mikrofon brauchte ich hier nicht. Zu allen Texten kamen Fragen, und es gab kleinere
oder auch längere Diskussionen. Die Leute redeten und fragten freimütiger, als
es in einer Buchhandlung möglich gewesen wäre. Hier war man ja nicht in der
Öffentlichkeit, sondern unter sich. Anfangs hatte ich noch gedacht, nach einer
oder höchstens zwei Stunden säße ich wieder in der Straßenbahn, aber es wurde
zwei Uhr nachts - sechs Stunden! Und es lag nicht am Wein, sondern an der
Offenheit der Fragen und des Gesprächs überhaupt, dass ich mich immer wohler
fühlte.
Ich wurde von einem der Gäste mit dem Auto in meine
Unterkunft gebracht (die Gastgeberin hatte mich auch mit Salaten und Kuchen für
den nächsten Tag eingedeckt). Am Schluss der Veranstaltung - niemand war früher
gegangen! - reichte die Gastgeberin eine Schüssel herum, für’s Honorar. Ich war
von den Socken, als dann fast fünfhundert Franken zusammenkamen. Es war aber
die Atmosphäre, nicht nur das gute Honorar, das mich veranlasste, künftig
weitere solche Veranstaltungen zu planen. Ich wusste gleich, eine solche Summe
würde ich wohl sonst nirgendwo erhalten.
Mein Angebot
Ich habe beschlossen, weitere solche Lesungen zu veranstalten, und
in den letzten Jahren wurde ich immer wieder dazu eingeladen. Jede war anders,
natürlich, und das ist das Spannende daran. Gemeinsam war allen die offene
Atmosphäre. Die Leute reden freier als in der Buchhandlung vor fremden
Besuchern. Bei diesen „Wohnzimmerlesungen“ gab es immer gute, auch für mich
fruchtbare Gespräche. Ich habe inzwischen verschiedene solche Lesungen gemacht
- in einer Party-Straßenbahn, in einer Wochenend-Hütte, sogar im Wartezimmer
einer Arztpraxis - oder eben in Wohnzimmern, die groß genug waren für acht bis
zehn Leute oder mehr.
Ich biete solche Lesungen nun auch aktiv an - zu sehr
günstigen Konditionen. Wer mich einlädt, macht für seine Gäste, sich selbst und
mich eine Kleinigkeit zu essen, hat einen leckeren Wein da, bezahlt meine An-
und Abreise (im weiteren Umkreis von Augsburg brauche ich ja keine
Übernachtung), erlaubt mir eventuell, signierte Bücher aus meinem
„Bücherkoffer“ zu verkaufen, lässt einen Hut fürs freiwillige Honorar kreisen -
und empfiehlt mich, wenn’s gefallen hat, auch weiter. Interessiert? Dann finden
Sie Kontakt-Informationen auf meiner Homepage www.viktorglass.com - u.a. im Impressum.