Didis Bücherturm

Donnerstag, 23. Januar 2014

Autobiografisches Schreiben II - die Motivation


Für wen schreibe ich das?

Wenn wir unsere Lebensgeschichte aufschreiben, müssen wir uns erst einmal Gedanken machen, zu welchem Zweck und für wen. Wollen wir nur unsere Lebensgeschichte und unsere Erfahrungen an die Enkelkinder weitergeben, unsere witzigsten oder interessantesten Erlebnisse schildern, Kriegserlebnisse aufarbeiten oder gar uns selbst auf die Spur kommen? All das sind ehrenwerte Motive, die aber nicht in allen Fällen eine Veröffentlichung als Buch nach sich ziehen müssen. Oft eignen sich solche aufgeschriebenen Erinnerungen besser als Geschenke zum Geburtstag oder zu Weihnachten an die Angesprochenen, auf gutem Papier vervielfältigt und edel eingebunden, oder auch als „Anlagen“ zum Testament.
Allerdings ist manchmal eine Beschreibung des eigenen Erlebens im Rückblick auch für eine größere Gruppe von Menschen oder für die Allgemeinheit interessant, da man ja immer Zeitzeuge ist, wenn man nicht ausschließlich über sich und seine Gefühle schreibt. Schon die Schilderung der Umstände eines Erlebnisses hat ja zeitgeschichtliche Bedeutung, wenn sie korrekt wiedergegeben wurde, und eine gute Schilderung ist allemal für die Öffentlichkeit interessant.
Wovor ich warnen möchte, ist das Motiv „erlittenes Unrecht“. erstens interessiert das weniger Leute, als man denkt, und zweitens kann das zu kostspieligen Klagen führen. Mich hat einmal ein Schweizer angerufen, nachdem er einen Bericht über mich als Ghostwriter in der FAZ gelesen hatte, und wollte, dass ich seine „Autobiografie“ schreibe und darin schildere, wie sein Bruder ihn um sein Erbe betrogen habe. Schon im ersten Gespräch musste ich ablehnen, zumal ich herausfand, dass es über diese Behauptung bereits ein schwebendes Gerichtsverfahren gab.
Bevor wir anfangen, müssen wir uns also Gedanken über den Zweck und die Zielgruppe machen, denn sonst schreiben wir einfach ins Leere, und wahrscheinlich wird dann niemand lesen, was uns doch so wichtig ist. Beispiel: Wenn wir für die Familie schreiben, wollen unsere Leser einerseits Dinge über uns erfahren, die sie noch nicht wussten, andererseits wollen sie Ereignisse, an denen sie beteiligt waren, wiedererkennen.
Vorsicht bei Themen, die früher einmal strittig waren. Auch wenn sie beigelegt scheinen, könnten alte Unstimmigkeiten wieder aufflammen.  Ihr müsst natürlich nicht jedem nach dem Mund reden, aber in solchen Dingen die eigene Meinung zu vertreten, erfordert schon diplomatisches Geschick. wenn die Lebenserinnerungen als Buch geplant sind und öffentlich werden sollen, ist es ratsam, die darin namentlich genannten Personen vorher um Erlaubnis zu fragen und ihnen die entsprechenden Passagen zu lesen zu geben.
 Eine Alternative wäre, die Namen wegzulassen - statt „Onkel Heinrich“ (den außerhalb der Familie möglicherweise ohnehin keiner kennt) kann man „mein Onkel“ schreiben. Schulkameraden braucht man auch nicht mit Namen zu nennen, es sei denn, es ist für den Fortlauf unserer Lebensbeschreibung wichtig. Allzu viele Namen machen die Geschichte für Außenstehende unübersichtlich.

 
Autobiografie oder Memoiren?

Wer ein Mensch des öffentlichen Lebens ist, ob Politiker, Maler, Schauspieler, prominenter Sportler oder Ähnliches, wird seine Lebenserinnerungen in Bezug zur Zeitgeschichte setzen und seine persönliche Rolle darin schildern. Hier sind natürlich Namen angebracht, sofern man nichts Falsches oder Ehrenrühriges über die Betreffende Person schreibt. Falls diese ebenfalls prominent ist, muss man sie nicht unbedingt um Erlaubnis fragen, denn sie ist ja bereits eine Person des öffentlichen Lebens, über die vielleicht schon eine Menge Geschriebenes existiert. Hier wäre es angebracht, Quellen zu nennen (z.B. im Anhang, damit der Text nicht unleserlich wird). So können sich die Leser weiter informieren, und man belegt seine Aussagen. Memoiren sind häufig ein wenig selbstironisch und süffisant geschrieben.
Die Leser erwarten Enthüllungen und das Ausleuchten von Hintergründen.