Es ist ein paar Tage her, dass in Rumänien Wahlen gewesen sind. Für uns in Deutschland war das vieleicht eine nebensächliche Meldung, die unter vielen anderen untergegangen ist. Vielleicht hat der Eine oder Andere mitbekommen, dass der Wahlsieger einen Deutsch klingenden Namen hat - aber das war's dann schon. Wir kennen Rumänien nur von früher - von den billigen Urlaubsmöglichkeiten oder der öffentlichen Hinrichtung eines wahnsinnigen Diktators und seiner Frau - und dann gewahrtenwir lange Zeit nichts. Dann tauchten (und tauchen immer noch) Bettler in unseren Fußgängerzonen auf (die aber in meinen Augen auch das Recht haben, dort zu sitzen und ihre Armut als Ware zur Befriedigung unseres satten Gewissens anzupreisen - und dafür immerhin ihr Schamgefühl unserer westlichen Überheblichkeit als Opfer darbringen müssen), und gleich schrie die ganze mischdeutsche Nation auf: Sozialschmarotzer! Und unser Bild von Rumänien wandelte sich.
Früher:
Heimat der Siebenbürgen, tolle Landschaften, historisches Erbe, eventuell noch "unterdrücktes Volk". In Anführungszeichen, weil wir ja wirklich nicht wussten oder wissen wollten, was da ablief. Wir hätten es wissen können. In Erinnerung haben wir nur ein paar verblassende Bilder von Kinderheimen mit verschmachtenden kleinen Wesen, die das Herz von Adoptionssüchtigen rührten und Pädophile dazu brachten, sich ominösen Hilfsorganisationen anzuschließen.
Heutige Vorstellung:
Armes Land, das sich unter diversen Vortäuschungen in unsere Wagenburg namens EU geschmuggelt hat und das uns mit Busladungen von Bettlern und Sozialschmarotzern überschwemmt. Zigeuner!
Rumäne und Roma - ist das nicht dasselbe?
Ach Leute, hier bricht der alte Rassismus durch, der seine Wurzeln schon viele, viele Jahre vor der Nazizeit hatte und dann "nur" kulminierte.
Rumänien
- war früher ein Land unserer Sehnsucht, das uns Abenteuer und oft auch ein undefiniertes Glück versprach. Karpaten! Romantik pur! Vampire! Ich sollte sagen: Ein Land, von dem wir selbst uns Sehnsucht versprachen und in Liedern, Büchern und Operetten weiter romantisierten.
Die Rumänen
- sind in Wahrheit eine Nation, die es geschafft hat, eine brutale Diktatur zu stürzen, sich selbst zu befreien, nationale Minderheiten weitgehend zu integrieren, Natur, Landschaft und Kulturerbe zu bewahren - unserer selbstgefälligen "Hilfe" zum Trotz.
Rumänien ist jetzt Teil der EU. Wir sind jetzt ein Land, haben eine Regierung, ein Parlament, eine Währung. Aber wir fürchten uns vor Bettlern, den angeblichen Schmarotzern. Dabei sind die Schmarotzer in Wahrheit wir, denn wir profitieren von einem Volk von Intellektuellen - Dichtern, Malern, Fotografen, Architekten, Journalisten, Philosophen, klugen Studenten und vielen anderen.
Und von Frau Orleanu. Es lohnt sich ein Blick in ihren Blog.
http://ioanaorleanu.blogspot.de/2014/11/der-tag-dem-wir-erwacht-sind-ziua-in.html
Rumänien wird in der Tat ziemlich stiefmütterlich behandelt, daher umso mehr Dank für diesen Beitrag.
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