Wie ihr wisst, biete ich auch
Korrektur- und Lektoratsarbeiten an. Nun fragte mich vor einiger Zeit ein
Kollege, ob ich seine Erzählungen zu einem Sammelband zusammenstellen könnte. Ich
kann hier keinen Namen nennen, das Problem ist auch nicht nur speziell seins,
sondern tritt sehr häufig auf, daher sind die folgenden Ausführungen nur ein
Beispiel für allgemeine Schwierigkeiten bei dieser Arbeit, aber keineswegs
übertrieben. Ich schreibe das hier nicht, um mich zu beklagen, sondern um Euch
zu sagen, wie es lieber nicht laufen soll.
Foto: Danke an pixabay |
Nun ja, in diesem Fall war es
so: Ich kannte einen Teil der Texte, und dass es siebenhundert Seiten werden
könnten, fand ich nicht weiter schlimm. Ich könnte, dachte ich, alle die
einzelnen Dateien in eine große Hauptdatei kopieren, markieren, gemeinsam
formatieren: Schrift, Seitenränder, Absätze, Überschriften. Dann meine
Korrekturen anbringen. Ich sagte zu, schätzte meine Zeit, machte einen
Freundschaftspreis aus. Dann bekam ich die Dateien zugesandt. Rund 120 einzelne
Manuskripte.
Und dann kam der Text …
Teils als Word-Datei, teils
eingescannt. Eingescannt! Eine Katastrophe, besonders, wenn ein Text teilweise
oder ganz aus jpg-Dateien (also Bildern) besteht. Dann muss ich diese
ausdrucken und neu als OCR-Datei in Text verwandeln, und wenn das nicht geht,
per Hand abschreiben.
Zwar gibt es inzwischen ganz
gute OCR-Software, aber in diesem Fall half mir das nichts. Einige Texte waren
aus bereits existierenden Veröffentlichungen, also schon gesetzt, andere waren
in verschiedenen Copyshops mit unterschiedlicher Software eingescannt. Die
Manuskripte hatten unterschiedliche Schriften und Randbreiten, waren in
unterschiedlichen Word-Versionen, hatten Seitenzahlen oben mittig, unten
rechts, oben links oder rechts, Kopf- und Fußzeilen, waren hartnäckig
kopiergeschützt oder hatten Rahmen, die sich nicht löschen ließen, sondern sich
bei dem bloßen Versuch auch in die anderen Texte ausbreiteten.
Anführungszeichen – erst unten,
dann oben, beide oben, schräg, gerade, gebogen, französische Zeichen, Schweizer
Variante und was sonst noch alles möglich ist, manchmal unterschiedlich in
einem Satz.
Adressenstempel am Rand, oft
sogar schräg – das gibt abenteuerliche grafische Effekte, mitunter reif für die
moderne Kunstgalerie. Ha, und erst die autoreigenen Korrekturen – getippext
oder einfach gleich mit Schreibmaschine überschrieben, handschriftlich über das
Wort (winzig), an den Rand (nur zur Hälfte mit eingescannt) oder nochmal
durchgestrichen und mit Sternchen versehen, dass dann nirgendwo hinführt. Oft
habe ich solche Texte mehr geraten als korrigiert, und einmal kam dabei ein
vollkommen neue Geschichte heraus.
Insgesamt eine Heidenarbeit, und
mehrmals stand ich kurz davor, einfach aufzugeben und unter entsprechendem
Protest zurückzusenden. Aber es war nun mal ein Freundschaftsdienst, ein
verhältnismäßig kleiner Dank dafür, dass der betreffende Kollege mir in der
Vergangenheit schon mehrfach aus der Patsche geholfen hat. Natürlich habe ich
ein Honorar dafür bekommen, aber es stand in keinem Verhältnis zum Zeitaufwand:
Da sich entgegen meiner ursprünglichen Annahme die Texte nicht einfach in eine
große Datei kopieren und zusammen formatieren ließen, hatte ich jede Menge
Detailarbeit. Jede einzelne neu in die Hauptdatei kopierte Geschichte
vernichtete oder veränderte die bisherige Formatierung, nichts blieb wie es
war. Der Autor ist Meister der Pünktchen-Auslassung: Drei Pünktchen direkt am
Wort, ohne Leertaste, oder mit Leertaste nur davor statt dahinter, Leertasten
zwischen den einzelnen Pünktchen, mal mit einem Komma dazwischen, dann nur zwei
oder aber vier Pünktchen …
Mit der nötigen
Vereinheitlichung, dem Entfernen von Trennstrichen und der Verortung von
wörtlicher Rede im „zuständigen“ Absatz habe ich deutlich mehr als 12.000
Einzelkorrekturen durchgeführt.
Nie, nie wieder?
Vielleicht doch. Ich habe eine
Menge übers Formatieren gelernt, habe Verständnis dafür gefunden, dass ein
Verlag ein Manuskript nahezu ungelesen zurückschickt (oder in den Papierkorb
steckt), habe wieder einmal deutlich mitbekommen, dass ein Manuskript mehrfach
gelesen werden muss – vom Autor, von einem Freund, vom Korrektor, vom Lektor –
selbst wenn deutlich weniger darin steckt. Mein Fazit ist nur, einen Text erst
weitgehend zu lesen, bevor man ein Preisangebot macht, oder sich nach Stunden
bezahlen lassen. Doch das ist unter Freunden natürlich manchmal schwierig.
Interner LINK zum Thema in
diesem Blog
Neu: 100 mal die
„Linkwundertüte“!
meine Linktipps stehen in der
Regel nicht im Zusammenhang mit dem darüberstehenden Beitrag, sondern sind ein
kleiner Sonderservice für Schreibende – die Technik des Schreibens betreffend,
Recherche, interessante Berichte in Magazinen und anderen Blogs usw. – immer
eine kleine Überraschung!).
Heute:
Linkwundertüte - Tipp 1/100
Zum Thema „Digitaler Nachlass“ -
ein interessanter Beitrag aus der „Selfpublisherbibel“.
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