So ein Lotterleben!
Viele Leute denken, als
Schriftsteller habe man es leicht. Man schläft morgens aus, frühstückt
ausgiebig, macht einen Spaziergang und notiert hinterher, was einem so
eingefallen ist. Irgendwann wird daraus ein Roman, der dann gedruckt erscheint
und das große Geld bringt. So das gängige Klischee. Manchmal kommt der Gedanke
hinzu, dass der Autor noch irgendwo Lesungen veranstaltet, bei Buchhandlungen,
in Altenheimen oder auf Geburtstagen von Freunden - und natürlich weder von der
Stadtbücherei noch von den Buchhändlern honoriert werden muss, denn man macht
mit Lesungen ja eine immense Werbung für sein Buch, und damit verdient man doch
mehr als genug, oder?
Wenn’s denn so wäre!
Mein Mindestlohn!
Wenn man vom Schreiben leben
will, muss man darauf achten, dass regelmäßig Geld hereinkommt, und zwar
genügend. Ich habe, um meinen Mindestverdienst zu ermitteln, aufgelistet, was
ich im Monat brauche - Miete, Strom, Gas, Telefon, Abzahlungen, Fernsehgebühr, Lebensmittel,
Kleidung, Steuern usw. Einen Posten für Unvorhergesehenes und fürs Sparen habe
ich auch vorgesehen.
Dann rechne ich zusammen, immer
Weihnachten (die Jahresabrechnung der Stadtwerke mit den Nachforderungen kommt immer
am Tag davor), und erschrecke jedes Mal, wie hoch meine festen Kosten
inzwischen geworden sind. Den Betrag teile ich durch 30,5 (weil die Monate halt
unterschiedlich lang sind), und diesem stelle ich dann die Honorare meiner
„festen Auftraggeber“ gegenüber, um auszurechnen, wie viele Seiten bzw. Zeichen
ich pro Tag schreiben muss, um meinen persönlichen Mindestlohn zu erhalten.
Darin steckt dann noch nichts für Freizeitbedürfnisse. Freie Tage habe ich mir
zunächst einmal gar nicht zugestanden.
Selbstkontrolle
Um das Ganze im Blick zu
behalten, schreibe ich in eine Tabelle, wie viele „Anschläge“ (so nannte man das
im Zeitalter der Schreibmaschine) ich täglich geschafft habe. Hier ein
Beispiel, das ich darunter erläutere:
Mein tägliches Morgen- und Abendritual |
Jeden Monat beginne ich eine
neue Seite in meinem kleinen Statistik-Block (in der Schweiz bei Manor oder bei
Migros gekauft, wegen des handlichen Formats, das nicht genau DIN A 6 ist - ich
liebe die Schweizer Formate). Die Spalten zeichne ich mit dem Bleistift selbst.
Die Spalte ganz links zeigt das Tagesdatum an. Daneben kommt der Projektname.
Wenn da ein Vorname steht, „Sonja“ oder „Achim“ usw., heißt das, es handelt
sich um einen Unterhaltungsroman - da nehme ich immer den Namen der Hauptperson
als Arbeitstitel. Ich arbeite fast immer an mehreren Projekten gleichzeitig -
wenn ich bei einem eine Blockade habe, wechsle ich auf ein anderes Projekt.
Morgens rufe ich alle meine
laufenden Projekte auf und gehe auf die WORD-Funktion „Wörter zählen“. Diese
Zahl trage ich in die nächste Spalte ein. Am Abend wird gezählt, was ich
geschafft habe, dann werden diese beiden Zahlen verglichen; die Differenz
ebenfalls eingetragen. Wenn ich das dann durch 1800 teile (Anschlag-Zahl einer
Normseite), sollte eine Zahl mit zwei Stellen vor dem Komma, also mindestens
10, dabei herauskommen (bei allen Tagesprojekten zusammen). In der Abbildung
ist also ein miserables Ergebnis zu sehen , das ich dann unbedingt bis zum
Monatsende ausgleichen muss. Ehrlich gesagt, so eine Seite versetzt mich in
Panik, wenn ich nicht nebenher anderweitig etwas verdient habe, z.B. durch eine
öffentliche oder eine Wohnzimmerlesung. Manchmal habe ich auch ein schwieriges
Projekt, das viel Recherche erfordert, so wie ich es beim „Einblick in meineWerkstatt“ in diesem Blog geschildert habe.
Siehe auch:
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