Persönliche Einstellung
Das ist nie ganz einfach. Nach welchen Kriterien soll ich
vorgehen? Ich bin kein geborener Kritiker, der seine festen Vorstellungen und
Ansprüche hat. Schon gar nicht könnte ich mich mit den Feuilletonisten der
großen Zeitungen wie der „Zeit“, der „Frankfurter Allgemeinen“, der „Neuen
Zürcher“ oder ähnlichen vergleichen. Ich bin kein Literaturwissenschaftler, und
manches, was ich lese, würde auch nicht deren Erwartungen entsprechen. Ich lese
viel Unterhaltsames - ich hatte Zeiten, da habe ich Unmengen von Fantasy und
Science Fiction gelesen. Heute lasse ich die Finger davon - es erinnert mich an
eine Freundschaft, auf die ich mich allzu sehr eingelassen hatte und die in
Ausbeutung und Plünderung meiner Lebenskraft endete. Ich habe mich erholt; ich
habe neue und echte Freundschaften gefunden. Meine Lektüre ist eine ganz andere
geworden (Historisches, aber nicht das ewige Mittelalter, Biografien,
Zeitgeschichtliches in Romanform. Zur Zeit: „Ich, Wolkenstein“ von Dieter Kühn
und „Laundry Man“ von Jake Needham: also auch Krimis und Thriller). Ich
unterscheide nicht zwischen „U“ und „E“. Dazu werde ich hier irgendwann Näheres
schreiben.Das richtet sich jetzt nach Empfehlungen - von heutigen Freunden, von Rezensenten, von Buchhändlern. Ich habe eine Liste von Titeln, die ich notiert habe als „unbedingt lesen“, aber die arbeite ich nur ganz langsam ab. Ich habe auch eine Liste von Büchern, die ich lesen soll, um sie zu besprechen. Manchmal drängt es mich nach der Lektüre direkt, etwas dazu zu sagen, manchmal fragen Freunde oder Kollegen mich: „Du hast doch einen Blog. Kannst Du nicht mal ‚ne tolle Rezension über mein Buch machen?“
Wie gebe ich ein gerechtes Urteil ab?
Da sitze ich dann in der Falle. Was macht ein Richter beim
Amts- oder Landgericht, wenn plötzlich ein guter Freund, der Steuern
hinterzogen haben soll, zu beurteilen ist, oder eine Barfrau, die ihn selbst
letzten Samstag um einen beträchtlichen Anteil seines Gehalts gebracht hat und
nun als Opfer eines Diebstahls als Nebenklägerin vor ihm sitzt? Der Richter hat
es leicht. Er braucht nur zu flüstern: „Ich könnte eventuell befangen sein.“ Alle
Welt schreit dann: Fall abgeben! Mandat niederlegen! Doch wenn ich Bücher von
Freunden rezensieren soll, ist Befangenheit leider erwünscht.Ob Freund oder nicht, ich mache das so: Ich lese zuerst das Buch, und zwar ganz. Es sei denn, es ist so übel wie der Saft am Boden einer Biotonne. Das merkt man ja auch gleich beim ersten Schlückchen. Ich gebe dann das Buch zurück oder ich sage: „Das kann ich unmöglich rezensieren.“ Manchmal ist es auch das Rückporto nicht wert. Es ist ja so: Wenn ich ein mieses Buch hochlobe, verderbe ich nicht nur meinen Ruf, sondern betrüge auch den Leser, der das Buch aufgrund meiner Rezension gekauft hat. Ein Rezensent hat Verantwortung für den Geldbeutel seiner Gläubigen.
Wenn ein Buch richtig schlecht ist, erwähne ich es gar nicht erst. Dem Autor sage ich dann, ich bin zeitlich, intellektuell oder sonstwie „überfordert“. Gefällt es mir hingegen, mache ich mir beim Lesen Notizen und schreibe auch auf, was mir missfällt. Wenn ich mehr Minuspunkte habe, fange ich meinen „Lesebericht“ mit einem Lob an - so ein Buch hat sicher auch Pluspunkte, sonst hätte ich nicht zu Ende gelesen. Habe ich mehr Pluspunkte, beginne ich meine Besprechung mit einer Kritik und nenne Mängel, die ich entdeckt habe, um dann mit einem deutlichen „Aber“ auf die gewichtigeren positiven Aspekte hinzuweisen.
Das Schwergewicht einer Rezension muss ja am Ende liegen, denn das behält der Leser am längsten im Gedächtnis, und es ist das Fazit, nach dem er möglicherweise seine Kaufentscheidung richtet. Dass eine Rezension diese überhaupt bewirkt oder verhindert, weiß auch der Autor / die Autorin und reagiert entsprechend auf „Verrisse“. Wenn ich den Autor / die Autorin kenne, schicke ich mein „Urteil“ vor der Veröffentlichung zu, und dann kann man diskutieren.
Wie gehe ich selbst mit Rezensionen meiner Bücher um?
Es gibt, was meine Bücher betrifft, viel Lob, aber
natürlich auch manche Verrisse. Grundsätzlich billige ich dem Autor / der
Autorin des Artikels ihre Meinung zu, und ich freue mich über Lob, wenn es
gerechtfertigt ist, akzeptiere aber auch Kritik, wenn ich sie verdient habe
(zugegeben, ich brauche dann ein bisschen Zeit). Ein übertriebenes Lob, dem
jede Grundlage fehlt, kränkt mich oft nachhaltiger als eine unqualifizierte
Verdammung meiner Arbeit. Was ich mir wünsche, sind gerechte Rezensionen - die
ehrliche Meinung des Rezensenten und eine glaubhafte, nachvollziehbare
Begründung dafür. Ich stecke, wie die meisten Autoren, viel Arbeit in meine
Bücher - der fertige Text ist nur der Eisberg, der aus dem Ozean ragt, und
darunter ist das Hauptgewicht - die Recherche -, und ich erwarte, dass jemand,
der sich ein Urteil bildet und dies gegenüber seinen Lesern als die
festgestellte Wahrheit ausgibt, dieses auch zu begründen weiß. Ganz so, wie ich
es selbst halten möchte. Es gelingt mir nicht immer. Aber ich werde auch den Rezensenten einer "Verurteilung" nicht anschreiben und mich beschweren. Vielleicht hat er ja recht, und ich merke das erst viel später. Gerade wenn man viel Arbeit investiert hat, ist man blind gegenüber den Fehlern, die man gemacht haben könnte.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Vielen Dank für Deinen Kommentar!