Didis Bücherturm

Montag, 7. Juli 2014

Biografischer Roman: Die Recherche

Heute kommen mal keine Lektüre-Empfehlungen und keine Blog-Links oder Schreibtipps, sondern ein Bericht aus meiner Werkstatt:
Da mein Vertrag für den neuen biografischen Roman gekommen ist, gehe ich nun verstärkt an die Recherche. Zuerst Wikipedia, dann die Links aus dem dortigen Artikel, dann die genannte Literatur. Danach geht’s von der Breite in die Tiefe: Das alles wird mich in die Bayrische Staatsbibliothek und in die Deutsche Nationalbibliothek führen - einige Quellen sind nur da zu finden. Ich muss nach Thüringen reisen, um mir einige Örtlichkeiten anzuschauen und mit Leuten zu reden, Werks- und Stadtarchive durchstöbern.
Im Moment lese ich bereits ein Quellenwerk, das unzuverlässig scheint, das recht schwülstig ist in der Nazizeit geschrieben und gelobt wurde, daher mit Vorsicht zu genießen. Es eignet aber sich zum Erstellen einer Liste - was muss ich nachforschen, wo kann ich ansetzen? Welche Nebenpersonen brauche ich? Welche gab es wirklich, welche hat der damalige Erzähler erfunden? Der Name meiner Zielperson ist sehr bekannt, der Mann hat in sehr bewegten Zeiten gelebt - ich muss also die Jahre nach Napoleons Niedergang, den Alltag im Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach (den ich schon aus meinen Goethe-Recherchen kenne), den Vormärz und die 1848er Revolution sowie die Zeit des Deutsch-Französischen Krieges (die ich wiederum aus der Recherche für meinen Roman über Rudolf Diesel in Erinnerung habe) überprüfen, und es geht um die frühe Zeit der Industrialisierung mit ihren sozialen Umwälzungen, in denen mein Held eine eher rühmliche Rolle spielt. Alles mit seinen Auswirkungen auf das Leben in einem deutschen, noch immer absolutistisch beherrschten Kleinstaat zu Metternichs Zeiten.
Außerdem muss ich technische Fragen klären und ein Spezialgebiet der Physik regelrecht studieren, damit ich die Arbeit meines Helden so schildern kann, dass auch ein 14jähriger Schüler sie versteht und spannend findet. Die Zielperson ist weltbekannt, es gibt ein spezielles Museum und mehrere Archive - und ich habe all das Material, das ich finden werde, „einzudampfen“ auf 350.000 Anschläge (194 fiktive „Schreibmaschinen“- Seiten à 30 Zeilen zu 60 Zeichen). Dabei muss ich dafür sorgen, dass es interessant und spannend wird.
Und korrekt, denn man wird meine Arbeit kritisch sehen! Den Namen meines Helden kennt man auf der ganzen Welt! Er hat, ohne selbst Wissenschaftler zu sein, beinahe jede Naturwissenschaft beeinflusst und viele Erkenntnisse überhaupt erst ermöglicht - Biologie, große Bereiche der Medizin, Chemie, Pharmazie, Astrologie. Weltraumfahrt ohne sein Lebenswerk? Kaum denkbar. Also alles quer durch den Garten. Und der Garten war sein Hobby - er hat Rosen gezüchtet und Gartenpartys veranstaltet, vorzugsweise mit seinen Mitarbeitern.
Seine „Werkstatt“ gibt es noch in großartig veränderter Form - wenn ich sage, es war der Renommierbetrieb der DDR, untertreibe ich. Den Namen meines Biografie-„Opfers“ kann ich hier noch nicht nennen - zu einem markanten Datum in naher Zukunft könnte mir ja jemand zuvorkommen. Andererseits würde ich gern sagen, ich schreibe über XY, damit ich nachweisen kann, dass ich schon heute an der Sache dran bin und mit einer gewissen Sorgfalt ans Werk gehe, während andere folglich nur Schnellschüsse liefern können.

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